Anlässlich der Fashion Revolution Week möchte ich dem Thema “Made in Bangladesh” auch dieses Jahr wieder ein paar Zeilen widmen. Du wirst die folgenden Zeilen zwar schon in einiger meiner älteren Artikel zum Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche gefunden haben, aber mir ist es wirklich ein Anliegen, dass man sich genau mit diesen Worten immer wieder auseinandersetzt und sie auch bewusst reflektiert.

„Am 24. April 2016 jährt sich zum 3. Mal der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch. Über 1000 TextilarbeiterInnen kamen ums Leben, mehr als 2000 wurden schwer verletzt. Sie wurden von den Fabrikbetreibern unter Androhung ihrer Entlassung gezwungen, zur Arbeit zu erscheinen, obwohl das Gebäude wegen schwerer Baumängel am Tag zuvor behördlich gesperrt worden war. Um 9.00 Uhr früh stürzte der achtgeschossige Fabrikkomplex ein.“

Zu diesem Zeitpunkt starben 1127 Menschen, 2438 wurden teils schwer verletzt und viele davon bis heute nicht für die gesundheitlichen Folgen entschädigt. Ich weiß, ich weiß, viele von uns haben genug von den täglichen Katastrophen, über die man im Internet oder der Tageszeitung liest. Es scheint fast so, als wären wir durch tägliche, negative Berichterstattungen schon beinahe abgestumpft oder wollen davon einfach nichts mehr hören, geschweige denn sich bewusst damit auseinandersetzen. 

Ein Wimpernschlag Euphorie. 

80 Milliarden neue Kleidungsstücke landen jährlich in den eigenen Kleiderschränken, sechs Milliarden davon allein in Deutschland. Kein Wunder, denn mittlerweile gibt es jedes Jahr zwischen 50 und 100 neue kleine und große Kollektionen. Jedes fünfte Kleidungsstück wird aber so gut wie nie getragen und kaum jemand tauscht oder kauft Second Hand. Ganze 40.000 LKW-Ladungen Kleidung pro Jahr landen daher einfach im Müll. Vieles wird also nur produziert, um kurz darauf wieder weggeworfen zu werfen. Mit Kleidung verhält es sich somit nicht anders wie mit der Lebensmitteln: Wir leben in einer destruktiven Wegwerfgesellschaft. Hauptsache billig. Wenn’s kaputt oder schlecht wird, nicht mehr gefällt oder wir es nicht mehr brauchen, schmeißen wir’s in den Müll, denn man kann ja wieder neues Billig-Konsumgut kaufen. Dass man für all die Billiggüter enorme Mengen an nicht-erneuerbaren Ressourcen verbraucht, stört dabei kaum jemanden. 

Mode ist ja eigentlich etwas Oberflächliches und über Oberflächliches wird ungern gesprochen. Wir kaufen Kleidung aus so vielen Gründen und die meisten davon haben so überhaupt nichts damit zu tun, ob uns im Winter warm genug ist oder wir die nächsten 10 Jahre kleidungstechnisch versorgt sind. Wir kaufen beispielsweise, weil wir Stil und Persönlichkeit hervorheben möchten oder auch, weil wir unglücklich oder unzufrieden sind und etwas Neues brauchen, das uns wieder, wenn auch nur kurzzeitig, mit Freude erfüllt. Die Modeindustrie freut sich, denn Persönlichkeit ist (gerade in jungen Jahren) oft mehr wandelbar als gefestigt und die Suche nach innerer Zufriedenheit, in einer völlig unreflektierten Welt voller unrealistischer Werbebotschaften, kann schon mal im Suchtkonsum enden. Sich über die Herkunft der Baumwolle oder den Produktionsprozess zu informieren, würde einem dieses euphorische Erlebnis zunichte machen. Fast Fashion ist somit eigentlich nicht mehr als oberflächliches Seelenfutter, der Hunger nach Glücksgefühlen, ein Wimpernschlag Euphorie sozusagen. 

Wer aber zahlt eigentlich den Preis für deine Billigkleidung, wenn du es nicht tust?

Gestern fand mich, neben der wundervollen Dokumentation Tomorrow von Melanie Laurent, auch einmal wieder The True Cost von Andrew Morgan. (Beides gerade trending auf Netflix.) Diese Dokumentation ist eine Geschichte über Mode. Über die Kleidung, die wir tragen. Über die Menschen, die sie machen und natürlich auch die über weltweiten Auswirkungen der Industrie, welche sie herstellt. Ich lege dir diese 89 Minuten wirklich ans Herz, denn dieser Film zeigt so deutlich, wieviel Schaden Fast Fashion nicht nur in den Produktionsländern, sondern auf globaler Ebene anrichtet. Aus dieser Dokumentation lässt sich auch sehr einfach und nachvollziehbar ableiten, warum Kleidung so billig verkauft werden kann und wer darunter leidet. 

Damit du dir aber auch ohne Filmabend ein Bild davon machen kannst, möchte ich dir heute einige Unterschiede zwischen konventioneller Baumwolle und kbA-Baumwolle aufzeigen. Andere Ausgangsstoffe wie Leinen oder auch erdölbasierte Stoffe, also z.B. Polyester, sind hier ausgenommen und werden auf Wunsch gerne in einem anderen Artikel bearbeitet. (edit: hier entlang zum ABC der nachhaltigen Stoffe)

Ressourcen

Fast Fashion
Konventionelle Baumwolle ist meist genveränderten Ursprungs und wird maschinell gepflückt, was zu Qualitätseinbußen führt, da oft unreif und reif sowie rein und schmutzig gleichzeitig geernet wird. Um dies zu verhindern, wird mit allerlei Pestiziden und Düngemitteln nachgeholfen. Ebenso führt die langjährige Monokultur zu kaputten Böden, verseuchtem Wasser, verwehten Giftstoffen und kranken Menschen. 
Slow Fashion 
Baumwolle aus kbA wird händisch gepflückt, ist sehr widerstandsfähig und kommt ohne Gen-Saatgut aus. Infolgedessen kann auch auf Pestizide und Entlaubungsmittel verzichtet werden, was sich positiv auf die Gesundheit der ArbeiterInnen und am Ende auch auf KonsumentInnen auswirkt. Durch den Verzicht auf große Erntemaschinen wird auch gleich die Umwelt geschont. 
 
 

Energieverbrauch

Fast Fashion
Ein Kilo konventionell Baumwolle braucht in der Produktion zwischen 10.000 und 29.000 Liter Wasser. Das Wasser wird entweder über Tiefbohrungen aus dem Erdreich entnommen oder durch die Umleitung von Flüssen angezapft und zum Anbaugebiet umgeleitet. (Dies hatte im Sudan übrigens zum Niedergang des Aralsees, der größten durch den Menschen ausgelösten Naturkatastrophe, geführt.) Bei der Herstellung von Pestiziden und Dünger wird zudem viel Energie verbraucht und das Treibhausgas Kohlendioxid ausgestoßen. 
Slow Fashion 
kbA-Baumwolle braucht etwa 91 Prozent weniger Wasser als konventionell angebaute Baumwolle. Außerdem werden bei kbA-Baumwolle beinahe zwei Drittel (62 Prozent) weniger Energie benötigt, welche oftmals aus erneuerbarer Quelle stammt, wodurch das Kleidungsstück nahezu klimaneutral produziert werden kann. Das bedeutet, dass die Bio-Baumwolle einen wesentlich niedrigeren Energieverbrauch hat und der Einfluss auf die Erderwärmung um knapp die Hälfte (46 Prozent) geringer ist. (Quelle: hier
 
 

Chemikalien

Fast Fashion
“3500 krebserregende, hormonell wirksame oder anderweitig giftige Chemikalien setzt die Textilindustrie ein, um Rohmaterialien zu bunt bedruckter Kleidung zu verarbeiten. Viele dieser Chemikalien findet man nicht nur im Umfeld der Fabriken, sondern inzwischen rund um den Globus – in der Küstenluft von Südafrika, der Leber von Eisbären und in der Muttermilch.” (Quelle: hier)
Slow Fashion 
Als Beispiel: Das Färben mit Naturfarbe kostet rund 2 Euro pro Kilogramm Stoff – chemisches Färben nur 60 Cent. Dafür wird aber auf Weichmacher, Flammschutzmittel, Formaldehyd und Azofarbstoffe verzichtet. kbA-Baumwolle lässt die Haut atmen und sorgt dafür, dass kein Nervengift, keine hormonell wirksamen Stoffe und keine krebserregenden Chemikalien deine wundervolle Haut berühren.
 

Transport

Fast Fashion
Ein T-Shirt hat auf dem langen Weg von der Produktion bis zum Händler schnell 20.000 km zurückgelegt. Meist ist es einfach nur ein unnötiges hin und her zwischen den Kontinenten, da Anbau, Herstellung, Fertigung und Verkauf in verschiedenen Ländern stattfinden. Um Kollektionen schnell an die Öffentlichkeit zu bringen, wird die Fast Fashion meist per Flugzeug in das jeweilige Land gebracht, was dem CO2-Fußabdruck nicht unbedingt schmeichelt! 
Slow Fashion 
Bio-Rohware wird meist per Schiff (oder auf mit dem Zug) auf dem direktesten und klimafreundlichsten Weg in das jeweilige Land transportiert. Gerade in Europa versucht man mittlerweile auch so lokal bzw. regional wie möglich zu produzieren, um Kohlendioxid einzusparen. Als Beispiel: Die Baumwolle aus der Türkei, Fertigung, Labeling und Druck findet direkt in Österreich statt. 
 

Soziale Gerechtigkeit

Fast Fashion
Neben menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen wird in der konventionellen Produktion immer noch Kinderarbeit eingesetzt. Versammlungsfreiheit und Streikrechte sind meist stark eingeschränkt und führen bei Ausübung schnell zu einer sofortigen Kündigung oder gar Festnahme durch die Polizei. Regelmäßig werden ArbeiterInnen in den Fabriken durch Unterernährung oder Erschöpfung ohnmächtig. Es gibt weder Krankenversicherung noch Urlaub, während das Einkommen meist 1/3-2/3 unter dem Mindestlohn liegt. 
Slow Fashion 
Entgegen der modernen Sklaverei im konventionellen Produktionsbereich achten Bio-Labels auf faire Arbeitsverhältnisse. Das weltweit führende Siegel GOTS schließt das Recht auf Versammlungen, die Abschaffung der Zwangsarbeit, ein Recht auf Kollektivverhandlungen, das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung, menschenwürdige Arbeitszeitregelungen und Diskriminierungsverbote mit ein. 
 

Diese und viele weitere Faktoren sorgen dafür, dass ein Basic-Shirt aus konventioneller Produktion im Handel nur 4,95 kostet, während ein Shirt aus kbA-Baumwolle schon mal 15-20 Euro kosten kann. Was kannst du also tun, um der unnötigen Verschwendung von Ressourcen und den menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen den Kampf anzusagen?

  • Wer jetzt sagt “Aus diesem Grund werde ich nie wieder bei H&M einkaufen”, könnte noch ein Stückchen weiter denken. Was passiert, wenn von heute auf morgen niemand mehr bei H&M einkauft? Zehntausende Menschen verlieren ihren existenzsichernden Arbeitsplatz. Damit möchte ich nur sagen, dass es nicht primär darauf ankommt Unternehmen aus konventioneller Produktion aus dem Leben zu verbannen, sondern als KonsumentIn immer wieder Druck auf die gängigen Labels auszuüben, damit sie zukünftig unter menschen- und umweltfreundlicheren Bedingungen zu produzieren. (Vor zehn Jahren hätte auch niemand gedacht, dass bio-vegane Ernährung sich zu einem derartigen Trend entwickelt und mittlerweile gibt es in allen gängigen Supermärkten biologisch angebaute, vegane Produkte.) Wie kannst du helfen? Als Beispiel: Trage deine Kleidung inside-out, mach ein Foto und poste es mit dem Hashtag #whomademyclothes auf die jeweiligen Social Media-Seiten von konventionellen Marken. Unterstütze Aktionen von Greenpeace und Co., die sich für eine faire Produktion einsetzen oder nimm an Demos und Protestaktionen zum Thema teil. Zusammengefasst: Nutze deine Stimme als KonsumentIn! 
  • Hör damit auf Trends nachzujagen, impulsiv zu shoppen und investiere dein Geld stattdessen in qualitative und zeitlose Kleidung, derer du nicht innerhalb weniger Monate überdrüssig wirst. Wenn du dir keine faire Mode leisten kannst oder möchtest, versuche es doch einfach mal mit Second Hand-Shops oder Tauschplattformen- und Partys. Auch hier gibt es oft sogar Kleidung in Bio-Qualität zu kleinen Preisen. 
  • Wirf getragene, jedoch noch gut erhaltene Kleidung nicht einfach in den Müll, sondern verkaufe oder verschenke sie an Freunde und Familie / bring sie in Second Hand-Läden oder zu Flohmärkten, Kleidertauschparties und Co. / spende sie an karitative Einrichtungen / …
  • Hast du eine Lieblingsjeans, die reparaturbedürftig scheint? Bring sie doch einfach mal zum Schneider und lass sie flicken oder lerne in Repair Cafes oder vielleicht auch auf Youtube, wie du sie selbst wieder zusammennähen kannst anstatt sie wieder neu zu kaufen. 

Wie stehst du zum Thema? Findest du die Bedingungen, unter denen Fast Fashion produziert wird in Ordnung oder kaufst du lieber fair? Welche Gründe sprechen aus deiner Sicht für konventionelle Kleidung, welche für Slow Fashion? 

Weitere Links zum Thema:

Und was meinst du?

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1 Kommentar
  • Laurel Koeniger
    Mai 9, 2017

    Liebe Tanja,
    Ich kann mich Jenni nur anschließen; ein wunderbarer Beitrag! Danke fürs Recherchieren und so überschaubar Zusammenfassen! Besonders schlimm finde ich, abgesehen von den Arbeitsbedingungen der Menschen in Entwicklungsländern, dass eben bei Fast Fashion tatsächlich giftige Chemikalien verwendet werden! Da denke ich mir immer, das muss doch der Punkt sein, wo alle sagen: “Okay, das geht so wirklich nicht mehr!” Gerade wo wir momentan so einen Health und Fitness Boom erleben. Aber falsch gedacht, scheint trotzdem den meisten egal zu sein.
    Schön, dass es Leute wie dich gibt, die immer wieder daran erinnern, was wichtig ist. :) Weiter so!
    Liebe Grüße,
    Laurel

    • Tanja
      Mai 9, 2017

      Hey Laurel! Danke für die lieben Worte, das freut mich immer total. :)
      Ja, das liebe Gift. Leider ist es wie beim Essen: Wenn man’s bewusst nicht merkt, was man sich da antut, kauft, isst bzw. trägt man es weiter. Kostet ja leider auch viel weniger als hochwertige, giftfreie Qualität. Ich könnte da jetzt stundenlang drüber schreiben und Psychologie mit einbauen, aber es hilft ja alles nix. Wir haben einfach vergessen uns selbst sowie die Dinge, die uns umgeben, wertzuschätzen. Der Welt fehlt, naiv gesagt, einfach ein bissl Liebe und Gemeinschaft. #hippievibes

  • Jenni
    Mai 8, 2017

    Liebe Tanja,

    Wahnsinn, wie viel Mühe und Arbeit du dir mit diesem so gut recherchierten Beitrag gemacht hast!
    Mir waren die meisten Faktoren zwar bekannt – aber es heißt nicht umsonst, dass man Gutes nicht oft genug wiederholen kann. Danke dir für diese gut sortierte Darstellung – die wird auf jeden Fall geteilt! :)

    P.S.: Zusätzliches Danke für deine liebe Verlinkung! <3

    Liebe Grüße
    Jenni

    • Tanja
      Mai 8, 2017

      Das Lob freut mich sehr, liebe Jenni! :)

  • Gabi
    April 28, 2017

    Hallo Tanja, ja es ist eine so schreckliche Entwicklung. Jeder weiss es und fühlt sich nicht betroffen. Dabei hat es jeder einzelne in der Hand nicht mehr so viel Mist zu kaufen. Ich hatte fast 40 Jahre lang ein Jeansgeschäft und war jetzt froh, dass ich es schließen konnte. Die ganze Textilindustrie hat sich so verändert und ich stand schon lange nicht mehr hinter meiner Ware. Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen, aber viel zu wenig.

    • Tanja
      Mai 8, 2017

      Hey Gabi. Ja, so ist das wohl in der heutigen Welt. Jeder weiß es, aber nur wenige tun etwas. Ich glaub, das ist ein bissl so wie bei Strassenunfällen oder Zivilcourage. Viele sehen, was passiert ist und fahren weiter, weil: Irgendwer wird schon stehen bleiben und helfen. Ich mag mich aber gar nicht drüber aufregen und freu mich stattdessen, wenn einige der LeserInnen dieses Artikels damit beginnen diese Dinge zu hinterfragen und vielleicht sogar zu handeln. :)
      Liebe Grüße